Weltmeisterschaft Edmonton 2024

Veröffentlicht am 2. März 2024 um 14:42

In meinen Ohren erklingt die Melodie und ich Fokussiere mich auf die Worte, auf das Gefühl und versuche es zu verinnerlichen... 🎵🎵🎵

"Everybody's free to feel good

everybody's free to feel good

i beliefe in the meaning of spoken word

the feeling of freedom an healing of bleeding (...)

Being strog feels exactly the same as being weak

the differenc is you don't quit

not until you reach the peak (...) Chase and Status, Spoken Word (Drum n' Bass) 

Ich habe nicht aufgegeben, schliesslich befinde ich mich hier in Kanada, und spaziere durch eine riesige fremde Stadt mit nichts ausser Hochhäusern, Hockeyfans und allerlei Essen, wobei sich irgendwo eine Wettkampfkonstruktion zum Eisklettern verbirgt. In Saas Fee disqualifiziert zu werden, nach einer super Qualifikation (Rang 1. mit Shin und Sina) hat mir alles an Selbstbeherrschung abverlangt, mich nicht für meine fragwürdigen Entscheidungen zu verachten. Doch das Simon, unser Trainer trotz meines Verhaltens objektiv genug bleiben konnte, um mich dennoch nach Edmonton zu schicken, erfüllte mich mit Respekt und grosser Dankbarkeit. Mit meinem Verhalten meine ich, dass ich mich im November offiziell gegen das Wettkampfklettern entschieden habe, mit der Begründung ich würde das alpine Klettern den Wettkämpfen vorziehen. Danach nahm ich dennoch an der Schweizermeisterschaft in Malbun, Saas Fee (WC) und schlussendlich auch der WM teil, wobei ich nicht den Mut hatte zu sagen, dass der eigentliche Grund meines Absprungs primär auf zwischenmenschlichen Konflikten beruhte. 

Nun befand ich mich aber auf einem anderen Kontinent, in einer kalten Stadt, um zu zeigen, dass ich diesen Sport liebe und wirklich etwas kann. Vielleicht motivierte mich auch der Gedanke, es diesen Wettkampfteilnehmerinnen nicht so leicht zu machen, die in Saas Fee gegen mich Einsprache erhoben haben. Weil: "the differenc is you don't quit".

Bild links: Qualifikationsroute mit guten Hooks und weiten Zügen, Bild Rechts: Halbfinal mit interessanter Würfelkletterei.  Bildrechte: Slobodan Mišković / UIAA

 

Mein Körper fühlte sich zwar stark an, hingegen meine Psyche sehr instabil. Ich hatte wenig Zuversicht in mich und mein Können  und war in sozialen Interaktionen sehr unsicher und schnell überfordert, weshalb ich mich grösstenteils zurückzog. Doch ich war da um die wenigen Routen die wir klettern durften so richtig zu geniessen, die athletischen Züge, die hängende Akrobatik, den kalten Pump mit dem Kampf bis zum bitteren Ende.  Nach den Qualifikationen stand fest, dass ich auch im Halbfinale starten durfte. So kletterte ich viel zu Nervös und viel zu langsam Zug um Zug durch die dreidimensionale Struktur. Ich hatte keine Ahnung wo ich stand, schliesslich startet man im Halbfinale aus der Isolationszone. Dennoch war ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht einen Bruchteil meines Könnens in dieser Kletterei abrufen konnte und blieb gespannt, wie sich die nachfolgende Eiskletterelite damit zu schlagen wusste. Es stellte sich heraus, dass einige Athletinnen mit der Zeit in Konflikt kamen was schlussendlich bedeutete, dass es mir sogar ins Finale gereicht hat. Innerlich spürte ich einen grossen Druck abfallen, denn somit hatte ich eines meiner Ziele erreicht. Nach gefühlt endloser Warterei, wurde ich aus der Isolationszone des Finals abgeholt, um ins Wettkampfvorzelt gebracht zu werden. Ich hatte die Routenbesichtigung noch gut im Kopf und liess mich wenig davon beeinflussen, dass ich in gewissen Sequenzen kein Plan hatte wie das gedacht war zu klettern. So startete ich mit einer Einstellung: "i nimm's wies chunt".  Der untere Teil im Eis fühlte sich mit diesen aggressiven Wettkampfgeräten und den leichten Toolyboots sehr ungewohnt an, dann ein kleiner Balanceakt auf einem schuhkartongrossen Eiswürfel um an den ersten 'Henkel' zu hüpfen, womit die verinnerlichte Bewegung zischen mit Figure 4 und 9 begann. Mit Dynamik, dann wieder Spannung, Präzision und einer vollumfänglichen Körperbeherrschung vom Zehen bis zu den Fingerspitzen. Ich erlaubte mir keine Bewegung, die nicht explizit angedacht, beurteilt und dann ausgeführt wurde.  Alles in Sekundenschnelle und dennoch viel zu langsam um in der vorgegebenen Zeit zum Top zu gelangen. Doch ich klettere weiter, so schnell es meine Koordination zuliess und gelang zum nächsten Griff, noch einer weiter, ich hörte die Stimmen unseres Trainers, der Teammitglieder und Zuschauern, dass die Zeit immer knapper wurde. Volles Risiko, egal ob ich falle, jetzt klettere ich so schnell ich konnte, ohne zu wissen ob die Position optimal war, einfach ziehen Füsse hoch, ziehen Füsse hoch bis ich höre 3...2...1...Timeout. Komplett ausser Atem lasse ich mich fallen, zufrieden mit meinem letzten Kampf. Ab jetzt kann ich an meiner Performance nichts mehr Beeinflussen. Noch vier weitere Athletinnen waren in der Isolation, was soviel bedeutet wie, dass noch vier bessere Athletinnen aus dem Halbfinal die Finalroute vor sich haben. Somit standen meine Chancen eher schlecht, in Podestnähe zu kommen. Nach mir kam Sina Goetz, die sich souverän wie immer, trotz ihrer vor wenigen Tagen zugezogenen Schultere Verletzung, die Wand hoch bewegte und schlussendlich am 'Dynamo' zum Topgriff gefallen ist.  Danach kletterte Marianne van der Steen solide doch relativ langsam, was zu einem Timeout geführt hat, bevor sie beim zuletzt gehaltenen Griff von mir ankam. Dann war Catalina Shirley an der Reihe, die stark unterwegs war, und bei einem weiten Untergriffzug zur Ausstiegswand gefallen ist. Somit war noch Shin Woonseon an der Reihe, bei der man nicht eine Sekunde zu Zweifeln wagte, dass sie das Top erreichen wird. Natürlich hat sie das auch geschafft, wenn auch leider nicht mit beiden Eisgeräten gehalten. Was nun hiess, Korea auf Rang 1 und die Schweiz mit Rang 2 und 3. Mal wieder auf dem dritten Rang an einer Weltmeisterschat, wenn auch nicht mehr so unerwartet wie in Saas Fee im 2022.  Shin gewann somit alle Weltcups der Saison, was sie sich sowas von verdient hatte. Bei niemanden sahen die Bewegungen so verinnerlicht und mühelos aus wie bei ihr und es ist ein echtes Erlebnis, zu sehen wie präzise und effizient sie diese anstrengenden Routen erklettert.  

Bild links: Swiss Power, Bild rechts: Korea Sandwich, Bildrechte: Slobodan Mišković / UIAA

 

Nun ist es an der Zeit mich zu Bedanken. Bei Ron Koller, meinen Trainer der genau weiss was es braucht um diese Passion auf die schönstmögliche Art auszuleben, bei Simon Fasnacht, der uns bis und in Edmonton betreut hat, bei Silvan Schüpbach, die Schnittstelle zwischen Athlet*innen und dem SAC, an den SAC bzw. Swiss Olympic, die uns finanziell Unterstützten um die Reise nach Kanada überhaupt zu realisieren, bei Vivi, Sina, Benji und Jonny, Eiskletterathlet*innen mit Herzblut und zugleich wunderbaren Menschen, an Ronja, die mich stets zu Erden weiss, wenn ich mich mal wider komplett Gedanklich verbastle und natürlich alle anderer die da sind, und das Leben mehr als nur erträglich machen. Ihr wisst es, weil ihr nicht selten unter meinen Knuddelattaken leiden müsst. Äs grosses MERCI ganz tüf us mim unperfektä Härzli. 🤗

Hier kommst du direkt zum Video des WM Finals. Wenn du mich klettern sehen möchtest, findest du das bei Minute 46-53.

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